Pratchett, Terry:
Ab die Post : ein Scheibenweltroman / Ins Dt.e übertragen von Andreas Brandhorst.- 3. Aufl. – München : Goldmann, 2007. – 444 S.
Orginaltitel: Going Postal
ISBN 978-3-442-46422-7
Der Betrüger Albert Spangler wird gehängt. Das glauben zumindest die Zuschauer. Sie haben vergessen, dass sie es hier mit einem gewohnheitsmäßigen Lügner zu tun haben. Albert Spangler, dass ist nur einer der vielen Decknamen Feucht von Lipwigs. Aber nicht nur er ist ein Meister der Täuschung. Die Menge sieht ihn sterben, doch in Wirklichkeit wird er nur ohnmächtig. Als er erwacht, sitzt er Lord Vetinari gegenüber, dem Herrscher der Stadt. (Wenn man ihn einen Tyrann nennt, sollte man nicht das Fallen eines Beiles sondern das Heben einer Augenbraue fürchten. Und sollte man es wagen ihn noch ein weiteres Mal zu kritisieren, bekommt man zur Antwort: Was erwartest du? Ich bin schließlich ein Tyrann.) Er macht Feucht ein Angebot. Entweder dieser bringt das heruntergekommene Postamt wieder in Schwung oder er kann den Raum durch eine bestimmte Tür verlassen. (Was keine schlechte Alternative wäre, wenn die Tür nicht in einen Abgrund führen würde.) Feucht nimmt die Stelle als Postminister an, in der Hoffnung sich davon stehlen zu können. Zu dumm nur, dass sein Bewährungshelfer ausgerechnet ein Golem (ein aus Ton gebauter, ausdauernder, gewissenhafter und schwer zu zerstörender Riese, der keinen Schlaf braucht) ist. So bleibt Von Lipwig nichts anderes übrig als sich seiner Aufgabe zu stellen. Er macht das, was er am besten kann. Er bietet den Leuten eine Show. Und schwuppdiwupp hat Feucht die Konkurrenz, den „Großen Strang“, der Nachrichten per Klacker (sie ähneln den Telegraphen auf der Rundwelt (Erde)) übermittelt, zu einem Wettstreit herausgefordert. Wer zuerst eine Nachricht ins weit entfernte Gennua zustellt, hat gewonnen. Obwohl die Klacker eindeutig im Vorteil sind, glauben die Leute an Feucht und wetten auf ihn. Und Feucht hat keine Ahnung wie er es schaffen soll, sie nicht zu enttäuschen.
Auch mit seinem dreiunddreißigsten Scheibenweltroman begeistert Terry Pratchett seine Leser. Die vorhergehenden Romane muss man nicht kennen, um das Buch verstehen zu können. Allen Romanen von der bizarren Scheibenwelt ist gemeinsam, dass sie, wie der Name schon sagt, auf der Scheibenwelt spielen. Deren Bewohner leben auf einer Scheibe die von vier Elefanten getragen wird, welche wiederum auf dem Rücken einer riesigen Schildkröte stehen, die durch das Universum paddelt. Fantasygeschichten also. Aber keine „klassischen“ Fantasygeschichten. Denn oft werden Fantasy und Science Fiction Motive oder Themen aus dem alltäglichen Leben parodiert. Im Falle von „Ab die Post“ sind es Themen wie die Geschichte der Post, verschiedene Kommunikationsarten, Wirtschaft, Betrug, Korruption und Manipulation, aber auch Freiheit und Hoffnung, laut Vetinari der größte aller Schätze. Nebenbei werden Hacking, Ehrgeiz, Sammelleidenschaft (insbesondere natürlich Philatelie), Geheimbünde, das fehlende Vertrauen in die Medizin, usw. angesprochen. Die zwei vorangestellten Prologe können erst einmal für Verwirrung sorgen, wenn sie die Erwartung wecken, hier essentiell Wichtiges zu erfahren. Sie liefern nur für das Verständnis belangloses Hintergrundwissen zur eigentlichen Geschichte.
Auch wenn die Figuren gewisse Sympathien wecken und man mit ihnen mitfiebert sind es nicht ihre Charaktere sondern Pratchetts ganz eigener Schreibstil und sein Humor, die den Charme des Buches ausmachen. Wie z.B.: „’Der Mistkerl ist gerade hereingekommen!‘, zischte sie. ‚Reacher Gilt! Ich töte ihn und bin zum Dessert wieder bei dir …‘ ‚Das kannst du nicht!‘, zischte Feucht. ‚Ach? Warum nicht?‘ ‚Du hast das falsche Messer! Das ist für Fisch! Es wird dich in Schwierigkeiten bringen!’“
Im Gegensatz zu vielen anderen Büchern von Pratchett, gibt es auch Witze, die sich auf Situationen weiter vorn im Buch beziehen und die dem Leser das Gefühl geben ein Insider zu sein.
Pratchetts berühmte Fußnoten mit amüsanten Anmerkungen sind natürlich auch in diesem Werk reichlich zu finden.
Das Buch ist pointierter als viele andere der genialen Scheibenweltromane. Wer Pratchett noch nicht kennt, sollte „Ab die Post“ lesen, sonst entgeht ihm ein großartiger Autor und ein gesellschaftskritischer Roman, der sowohl viel Stoff zum Nachdenken als auch zum Lachen bietet.