Archive for the ‘Bewertung 4/5’ Category

Seite um Seide

27. April 2010

Schacht, Andrea:
Goldbrokat : historischer Roman. – München : Blanvalet, 2009. – 606 S.
ISBN 978-3-7645-0297-3

Nach „Göttertrank“ erwartete ich von „Goldbrokat“ einen weiteren thematischen Roman, Brokat als roten Faden des Romans. Stattdessen erfuhr ich mehr über Seide. Ähnlich mit vorangestellten Zitaten und Wechsel zwischen verschiedenen Protagonisten aufgebaut , wie der Roman rund um Kakao und Schokolade, war der edle Stoff doch nicht, wie bei erwähntem Roman Dreh- und Angelpunkt, sondern eher verbindendes Element. Das störte mich weniger, lass ich doch nicht wegen dem Thema sondern wegen dem Schreibstil der Autorin. Überraschend traf ich sogar einige Figuren aus ihren anderen Romanen wieder. Im Mittelpunkt standen jedoch Ariane Kusan, eine verarmte Adlige die durch eine Schneiderei ihre Kinder versorgen will und ein geheimnisvoller Mann, der seine Vergangenheit in China zu vergessen sucht bis er sich nicht mehr vor ihr verstecken kann. Man ahnt, dass beide mehr verbindet als der wieder auftauchende Feind Charnay, ehemals Stubenvoll, der nichts geringeres will, als den Untergang all derer, die ihn einstmals demütigten.

Andrea Schacht versteht es wiedereinmal den Leser trotz nicht unerwartetem Ende in ihre Geschichte um eine starke Frau und einen nicht minder starken Mann -einer Wildkatze und einem Drachen- hineinzuziehen.

4/5

Literarische Verbrechen

17. April 2010

Fforde, Jasper:
Der Fall Jane Eyre : Roman / Aus dem Engl. von Lorenz Stern. – 6. Aufl. – München : Deutscher Taschenbuch-Verl., 2006. – 375 S.
Originaltitel: The Eyre Affair
(dtv ; Bd. 24379)
(Thursday-Next-Reihe ; Bd. 1)
ISBN 978-3-423-24379-7

„Was haben der Rabe und ein Schreibtisch gemeinsam?“ Der verrückte Hutmacher im kürzlich gelesenen Roman „Alice in Wonderland“ hatte nicht den blassesten Schimmer. Daher dachte ich es gibt keine Lösung. Doch weit gefehlt. In „Der Fall Jane Eyre“ bekommt man gleich mehrere Antworten. Für eine LitAg, Agentin zur Aufklärung literarischer Verbrechen, wie Thursday Next ist das schließlich ein Kinderspiel. Zu Schaffen macht ihr dagegen der zum „Unsympathen Nr. 1“ gewählte, 74-wöchige Fahndungslistenführer Acheron Hades. Er hat einige unglaubliche Fähigkeiten, die nicht nur den Ermittlern sondern auch dem Leser Rätsel aufgeben. Sind es angeborene Superkräfte oder gibt es einen Trick? Schade, dass man das nicht erfährt. Es hätte ebenso interessant sein können, wie die einfallsreichen Erfindungen von Thursdays Onkel. Als eine davon in Hades‘ Hände gelangt und er mit ihrer Hilfel Jane Eyre aus dem Roman von Charlotte Bronte entführt, bangen tausende Leser um die Protagonistin.
Jasper Fforde entführt in eine Welt, in der Literatur so wichtig ist, dass es sogar eine Spezialeinheit zu ihrem Schutz gibt. Die Hintergründe zu den LitAgs und den anderen Teilbereichen des Special Operation Networks (SpecOp) werden in den, den Kapiteln voran gestellten, Zitaten näher erklärt. Thursdays Vater arbeitete beispielsweise bei der für Zeitreisen zuständigen ChronoGarde und geht jetzt Rätseln der Geschichte auf die Spur. Wer schon immer wissen wollte, wer Shakespeares Werke wirklich geschrieben hat, wird hier auf eine verblüffende Antwort stoßen.

Eine ungewohnte Mischung aus Literatur und Action in einer Welt auf die man sich erstmal einlassen muss, in der es aber nie langweilig wird.

4/5

„Adolf Hitler: durchgefallen“

23. März 2010

Schmitt, Eric-Emmanuel:
Adolf H. : Zwei Leben ; Roman / Aus dem Frz. Von Klaus Laabs. – Zürich : Amman, 2007. – 507 S.
Originaltitel: La Patt de l’autre
ISBN 978-3-250-60107-4

Was wäre gewesen, wenn der spätere Diktator an der Wiener Kunstakademie aufgenommen wurden wäre? Schmitt stellt eine Möglichkeit vor. Parallel erzählt er zwei Leben. Das des abgelehnten Künstlers und das virtuelle des anerkannten. Der eine verlässt nach der Prüfung traurig der andere fröhlich die Kunstakademie. Der eine schließt sich immer mehr in sich selbst ein, der andere öffnet sich. Das ist natürlich nicht nur abhängig von der Annahme auf der Kunstakademie. Aber abgelehnt versucht Adolf Hitler seine Fehler zu vertuschen, der virtuelle, angenommene Adolf H. stellt sich ihnen und versucht sie zu beheben. Dabei nimmt er unter anderem auch die Hilfe von Doktor Freud an. Ich muss zugeben ich konnte dessen Theorien noch nie viel abgewinnen und auch in diesem Buch finde ich sie reichlich abstrus. Aber Freud hilft Adolf H. damit, auch wenn er sich merkwürdig ausdrückt, seine Beziehung –bei Freud natürlich namentlich zu Frauen- aber auch zu anderen Menschen zu überdenken und neu zu gestalten.
Bevor es soweit ist, wird man in einen Gewissenskonflikt gestürzt. Am Anfang ist nämlich der „reale“ Adolf Hitler sympathischer als der virtuelle Adolf H. Schmitt möchte nicht „Die Menschheit weiß malen, indem man Hitler ausschließt. Als ob die Unmenschlichkeit nicht etwas spezifisch Menschliches wäre.“ Und das ist das erschreckende an diesem Roman. Von Hitler etwas in sich selbst wiederzufinden. Aber es gibt Hoffnung nicht jeder Mensch wird zu einem Hitler und auch Hitler hätte zu einem anderen werden können, wie Schmitt am Beispiel Adolf H.’s zeigt. Warum Hitler so wurde wie er wurde, kann man nun ein bisschen nachvollziehen, ohne dass man es gut heißt. Anfangs noch menschlich sogar fast sympathisch entzieht er sich dem Leser immer mehr, wie er sich jeder menschlichen Beziehung entzieht. Statt einer politischen bekommt man hier eine -natürlich teilweise spekulative- persönliche Biographie geliefert. Nach dem Roman folgt noch das ausführliche Arbeitsjournal des Autors. Er erzählt, wie es war dieses Buch zuschreiben, wie andere und er selbst darauf reagiert haben und was er mit seinem Werk erreichen wollte. Allerdings wird Schmitt dabei an einigen Stellen etwas theoretisch und benutzt Fremdwörter, die nicht jeder kennen wird. Dennoch bietet das Journal einen echten Mehrwert bei diesem Roman, der viel Diskussionsstoff bietet und meiner Meinung nach gut auf den Lektüreplan einer Schule passen würde.

Alles in allem ein anspruchsvolles Buch, auf das man sich einlassen muss, aus dem man aber auch viel für sich und sein Leben ziehen kann.

4/5

Nacktduscher – gefährliche Kriminelle

17. März 2010

Leuthner, Roman:
Nackt duschen streng verboten : die verrücktesten Gesetze der Welt. – München : Bassermann, 2009. – 144 S. : Ill.
ISBN 978-3-8094-2184-9

Jura = langweilig und trocken? Mit diesem Buch zeigt Dr. Roman Leuthner, dass es auch anders geht. Amerika, das Land mit den wohl verrücktesten Gesetzen, nimmt dabei fast die Hälfte des Buches ein. Nach einer kurzen Einführung wird erläutert wie dort Gesetze entstehen und welchen tieferen – z. T. traurig bis erschreckenden – Sinn sie haben. Die kuriosen Gesetze aus den USA, die nach verschiedenen Kategorien und Bundesstaaten geordnet und teilweise mit Kommentare versehen sind, haben mich am meisten zum Lachen gereizt. Man kann sich aber auch über die Gerichtsentscheide amüsieren, bevor man mehr über die erstaunlichen Gesetze der anderen Kontinente erfährt. Den Schluss bildet Europa. Ihm vorangestellt ist ein ausführlicheres Kapitel zu Deutschland, das vor allem mit seiner überkorrekten Sprache das Zwerchfell anregt. Es ist das einzige Kapitel in dem größten Teils die Gesetze angegeben sind aus denen zitiert wurde. Verwirrend fand ich, dass nach Europa, das mit den Gesetzen von Ungarn endete, unter der Überschrift „Der Streithansel und die Gesetze“ die Mitschuld von Bürgern am Zustande kommen von verwirrenden Gesetzen in Deutschland erklärt wird. Das hätte meiner Meinung nach als Einleitung zum Deutschland-Kapitel oder meinetwegen auch am Ende dieses Kapitels besser gepasst. Zu Mal nach dem 3,5 seitigem Kapitel „Der Streithansel und die Gesetze“ nur noch ein kurzes Schlusswort folgt. Als Student in der Diplomarbeitsphase, dem ständig die Angabe der Quellen gepredigt wird, fand ich das Fehlen derselben etwas unnatürlich. Aber das Ganze ist natürlich kein Fachbuch und der Zielgruppe des populärwissenschaftlichen Werkes würde durch die Quellenangaben kaum ein Mehrwert entstehen, während die Lesbarkeit sich verschlechtern würde. Von daher ist es sicher angemessen, wie es ist. Abgesehen von einigen anderen kleinen formalen Fragezeichen bei weitergehendem Interesse ist es aber auf alle Fälle ein interessantes und amüsantes Buch, in dem sich so manches Schmankerl findet, mit dem man in einer Small-Talk-Runde beeindrucken kann.

Wer also wissen möchte, wo nackt duschen ein Verbrechen ist, und welche kriminellen Straftaten er noch begangen hätte, wenn er in einem anderen Land leben würde, ist mit diesem Buch gut beraten.

4/5

Wissen ist Macht

15. März 2010

Müller, Titus:
Die Jesuitin von Lissabon : historischer Roman. – Berlin : Rütten & Loening, 2010. – 453 S.
ISBN 978-3-352-00782-8

Ein Sturm peitscht das Meer. Hilflos ist das Schiff den Wellen ausgesetzt. Antero Moreira de Mendonca hat Todesangst. Der Schmuggler will noch nicht sterben. Gott erhört sein Flehen. Doch kaum ist Antero dem Sturm entronnen und in Lissabon angekommen, da wird es von einem Erdbeben zerstört. Die Jesuiten, allen voran Anteros ehemaliger Meister Malagrida, schreiben die Ursache dem Zorn Gottes zu. Der Naturforscher Antero sieht seine Chance gekommen sich an dem skruppellosen Malagrida zu rächen. Doch dieser ist mit allen Wassern gewaschen. Überall hat er Spione. Auch Anteros Geliebte Leonore ist eine von ihnen. Sie ist angezogen von der Macht der Jesuiten. Antero faszinierte deren umfangreiches Wissen. Aber unbedingter Gehorsam und unstillbarer Wissensdurst erwiesen sich als unvereinbar. Durchdrungen vom Geist der Aufklärung möchte Antero die Welt erforschen. Ganz anders der Machtmensch Malagrida, der sie beherrschen will. Er tut alles dafür, wartet aber vergebens darauf, dass Gott zu ihm spricht und einen zweiten Mose aus ihm macht. Eindimensionale Menschen gibt es in dem Roman nicht. Schon zu Beginn begegnet dem Leser kein kühner Held, sondern ein den Naturgewalten hilflos ausgelieferter Mensch, der nichts weniger hat als eine weiße Weste. Den Elementen kann er zwar nichts entgegensetzen, aber seinem Widersacher. Beide kennen sich gut, können die Reaktionen des anderen voraus ahnen und beziehen diese in ihre eigene Taktik gekonnt ein. Ein cleverer und spannender Kampf mit einigen unerwarteten Wendungen entspinnt sich.

An den historischen Hintergründen Interessierte können sich über umfangreiches Zusatzmaterial freuen. Man findet Worterklärungen, Aussprachetipps für die portugiesischen Namen und Informationen zu den schon im Roman differenziert gezeichneten Jesuiten, dem Erdbeben, und dem Portugal des 18. Jahrhunderts. Den Schluss bildet ein Interview mit dem sympathisch wirkenden Autor zum Schreiben allgemein und zur „Jesuitin von Lissabon“ im Besonderen. Interessant wäre noch zu wissen, von wem er dazu befragt wurde.

Herzlichen Dank an Rütten & Loening, einer Marke des Aufbau-Verlages, für diesen interessanten historischen Roman von Titus Müller, der neben Publizistik und neuer deutscher Literatur mittelalterliche Geschichte studiert hat und vor den Augen des Lesers, ein vielschichtiges Bild des vom Erdbeben – nicht nur physisch – erschütterten Lissabons der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstehen lässt.

4/5

Einmal Pater, immer Pater?

8. März 2010

Schacht, Andrea:
Das brennende Gewand : Roman. – 2. Aufl. – München : Blanvalet, 2008. – 443 S.
(Begine-Almut-Reihe ; Bd. 5)
ISBN 978-3-442-37029-0

Köln im Wonnemonat Mai im Jahr des Herrn 1377. Diesmal sind Begine Almut und Pater Ivo selbst die Opfer. Denn einigen Personen aus Pater Ivos Vergangenheit gefällt es gar nicht, dass dieser sein Klosterleben aufgeben möchte. Der erwartete Dispens wird abgeschlagen und Pater Ivo auch noch des Mordes bezichtigt. Verbittert beschließt er sich als Incluse einmauern zu lassen, doch damit macht er sich selbst unfähig seine Lieben vor den Widersachern zu schützen. Und so gerät auch Begine Almut in Gefahr.
Im letzten Band kommen endlich die noch fehlenden Lücken aus Pater Ivos Vergangenheit ans Licht. Die Auswahl der Verdächtigen ist nicht sehr groß, so das man Almut zum Teil durch Andeutungen aus den vorigen Bänden voraus ist. Ein bisschen merkwürdig fühlt sich zwar auch die schon im vorigen Band begonnene Wandlung des liebgewonnenen mürrischen Paters zum galanten Patritzier an. Statt kluge Bibelsprüche des Predigers oder von Jesus Sirach bedient er sich nun von Auszügen aus dem Hohenlied Salomos. Mann hofft natürlich dennoch oder gerade deswegen auf eine glückliches Ende für Pater und Begine.

4/5

Am Gelde hängt, zum Gelde drängt doch alles

4. März 2010

Lorentz, Iny:
Dezembersturm : Roman. – genehmigte Lizenzausg. – Augsburg : Weltbild, 2009. – 540 S.
ISBN 978-3-8289-9744-8

Eigentlich hatte das Ehepaar Lorentz ja beschlossen „Dezembersturm“ nur als Taschenbuch heraus zubringen, da der Roman in einer für Iny Lorentz untypischen Epoche – das 19. Jahrhundert – spielt. Doch sie hatten wohl mehr Erfolg als erwartet, immerhin halte ich jetzt ein Hardcover in der Hand. Auch wenn die beiden sich an eine neue Epoche gewagt haben, typische Elemente eines Iny-Lorentz-Buches fehlen nicht. So steht z.B. im Mittelpunkt wieder eine starke Frau. Lore lebt nach dem Tod ihrer restlichen Familie bei ihrem Großvater, der vom eigenen Neffen aus seinem Gut vertrieben wurde. Lore hält ihn für arm. Doch der Neffe ahnt, dass sein Onkel Geld beiseite geschafft hat. Damit er sich dieses Geld nicht auch noch einverleibt, schickt ihr Großvater Lore damit nach Amerika. Auf dem Schiff begegnet sie einer kleinen Komtess, die einen ebenso geldgierigen Verwandten hat wie Lore selbst.

Auch wenn das Buch meiner Meinung nach nicht an „Die Kastratin“ oder „Die Tatarin“ heran reicht, finde ich es doch besser als „Die Rose von Asturien“ mit ihren 4 Protagonisten. In „Dezembersturm“ begleitet man eine sympathische Protagonistin, die einige Abenteuer zu bestehen hat. Ein persönlicher Bonus war, dass eine auch vorkommende Namensvetterin in dem Buch außnahmsweise Mal keine von den „Bösen“ war 😉

4/5

Zeitreisender wider Willen

2. März 2010

Niffenegger, Audrey:
Die Frau des Zeitreisenden : Roman / Aus dem Amerikan. von Brigitte Jakobeit. – Frankfurt am Main : Fischer, 2004. – 543 S.
Originaltitel: The Time Traveler’s Wife
ISBN 3-10-052403-9

Als Clare Henry das erste Mal begegnet, ist sie 6 und er 36 und nackt. Als Henry Clare das erste Mal begegnet, ist er 28 und sie 20. Beide sind angezogen. Henry ist Zeitreisender. Ohne Vorwarnung verschwindet er und taucht ohne Kleidung in einem ihm unbekannten Jahr auf. Doch immer wieder findet er zu Clare, seiner großen Liebe.
In dem Roman erzählen beide jeweils aus eigener Sicht ihre gemeinsame Geschichte. So kann man sich wunderbar ebenso in den unfreiwilligen Zeitreisenden wie in die zurückgelassene Geliebte hinein versetzen. Am Anfang war es zwar etwas ungewohnt, wie bei einem Theaterstück die Namen von Clare oder Henry vor ihrer jeweiligen Erzählung zu lesen, aber es hilft die Übersicht zu behalten und bald gewöhnt man sich daran. Hilfreich sind auch die Überschriften über den einzelnen Episoden, die das Jahr und das Alter der Protagonisten angeben.

Audrey Niffenegger ist, trotz fehlender, da schlicht unmöglicher Chronologie, die bezaubernde Geschichte einer Liebe über alle Zeiten hinweg gelungen.

4/5