Archive for the ‘Genre: Sonstiges’ Category

Baustelle Leben

29. April 2010

Gavalda, Anna:
Alles Glück kommt nie : Roman / Aus dem Frz. von Ina Kronberger. – München : Hanser, 2008. – 604 S.
Originaltitel: La Consolante
ISBN 978-3-446-23057-6

„Anouk ist tot.“ Diese drei Worte werfen den renommierten Architekten Charles Balanda aus der Bahn. Die Mutter seines ehemaligen besten Freundes Alexis, seine große Liebe, die Frau, die er im Stich gelassen hat, sie ist tot. Er beginnt sich zu erinnern, an sie, an seine Kindheit, all seine Entscheidungen. Man erfährt, wie sein Leben so werden konnte, wie es jetzt ist. Oft genug zögernd aber dennoch Schritt für Schritt stellt Charles sich seiner Vergangenheit. Dabei geht er eher unbewusst vor. Alles ist relativ unstrukturiert. Es gibt vielen Aufzählungen. Sie fassen das eben Gelesene zusammen und erzählen doch noch mehr, indem sie eine weitere Sichtweise hinzufügen. Nicht das es nicht schon genug gäbe. Ständig wechseln die Perspektiven. Teilweise von Absatz zu Absatz. Was gerade noch bewundernswert schien, ist im nächsten Moment bemitleidenswert. Das entwirft zwar ein differenziertes Bild, aber vor allem am Anfang muss man sich erstmal in die Perspektivwechsel eindenken. Man fragt sich, was will Balanda damit sagen und merkt, dass er es selbst noch nicht weiß. Zwischen diversen Rückblenden kehrt er immer mal wieder in die Gegenwart zurück, arbeitet, denkt über sein Privatleben nach, arbeitet. Genervt dachte ich: Er hatte vielleicht eine interessante Kindheit, aber sein Leben ist jetzt doch relativ langweilig. Es wird immer so bleiben. Er wird sich nie aufraffen. Wo sollte er auch hin? Warum zieh ich mir schon wieder so ein deprimierendes Buch rein? Doch dann endlich, etwa nach der Hälfte des Buches, rafft er sich auf und tut einen letzten großen Schritt, um seine Vergangenheit zu bewältigen. Er trifft sich mit Alexis. Dabei lernt er Kate kennen, die allein mit einem Haufen Kindern und Tieren auf einem ehemaligen Herrensitz lebt und viel besser erzählen kann als er. Das Warten hat sich doch gelohnt. Der Roman wandelt sich von einer eher traurigen zu einer traurig-schönen bis schönen Geschichte. Charles erfährt was ein wirkliches Leben ist. Wird es nur eine Erfahrung bleiben oder wird sie ihn verändern?

Ein Buch so verfahren, traurig, langweilig, verrückt, berührend und schön, wie das Leben.

3,5/5

Leserin aus Leidenschaft

6. März 2010

Benett, Alan:
Die souveräne Leserin /Aus dem Engl. von Ingo Herzke. – 3. Aufl. – Berlin : Wagenbach, 2008. – 114 S.
Originaltitel: The Uncommon Reader
ISBN 978-3-8031-1254-5

Eigentlich leiht die Queen sich nur aus Pflichtgefühl ein paar Bücher aus dem Bücherbus vor dem Palast aus. Aus dem selben Grund liest sie diese auch. Dabei entdeckt die Frau, von der ein vielfältiges aber kein tiefes Interesse erwartet wird, eine neue, ihre einzige Leidenschaft. Sehr zum Missfallen ihres Hofes. Minister und Volk reagieren mit Unverständnis oder zumindest Überraschung, wenn sie auf ihre, nicht immer vorhandene, Lektüre angesprochen werden.
Die extremen Mitteln zu denen der Hof zu weilen greift, um das neue Hobby der Queen zu unterbinden, fand ich manchmal etwas übertrieben. Andererseits wird man dadurch umso mehr auf die Seite der Repräsentantin Englands gezogen. Ein jeder Leser aus Leidenschaft kann wohl mit ihr fühlen und findet in ihrem Lektüreverhalten ein Stück seiner selbst wieder. Aber nicht nur das gemeinsame Hobby macht die Queen sympathisch, auch ihr Enthusiasmus und ihre unterhaltsame Art über sich und das Lesen zu reflektieren. Fasziniert von der Wirkung der Lektüre auf die Queen, die zu einem überraschenden Ende führt, habe ich das Buch in einem Stück verschlungen.

Eine gelungene Hommage an das Lesen, die Lust auf mehr macht.

4,5/5

Zeitreisender wider Willen

2. März 2010

Niffenegger, Audrey:
Die Frau des Zeitreisenden : Roman / Aus dem Amerikan. von Brigitte Jakobeit. – Frankfurt am Main : Fischer, 2004. – 543 S.
Originaltitel: The Time Traveler’s Wife
ISBN 3-10-052403-9

Als Clare Henry das erste Mal begegnet, ist sie 6 und er 36 und nackt. Als Henry Clare das erste Mal begegnet, ist er 28 und sie 20. Beide sind angezogen. Henry ist Zeitreisender. Ohne Vorwarnung verschwindet er und taucht ohne Kleidung in einem ihm unbekannten Jahr auf. Doch immer wieder findet er zu Clare, seiner großen Liebe.
In dem Roman erzählen beide jeweils aus eigener Sicht ihre gemeinsame Geschichte. So kann man sich wunderbar ebenso in den unfreiwilligen Zeitreisenden wie in die zurückgelassene Geliebte hinein versetzen. Am Anfang war es zwar etwas ungewohnt, wie bei einem Theaterstück die Namen von Clare oder Henry vor ihrer jeweiligen Erzählung zu lesen, aber es hilft die Übersicht zu behalten und bald gewöhnt man sich daran. Hilfreich sind auch die Überschriften über den einzelnen Episoden, die das Jahr und das Alter der Protagonisten angeben.

Audrey Niffenegger ist, trotz fehlender, da schlicht unmöglicher Chronologie, die bezaubernde Geschichte einer Liebe über alle Zeiten hinweg gelungen.

4/5

Die einzige Wahrheit?

4. Februar 2010

Picoult, Jodi:
Die einzige Wahrheit : Roman / Aus dem Amerikan. von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. – 2. Aufl. – Müchen : Kabel-Verl., 2001. – 462 S.
Originaltitel: Plain Truth
ISBN 3-8225-0556-0

Klappentext:

Niemandem in der Amish-Gemeinde von Paradise kann sie ihr Geheimnis anvertrauen. Deshalb betet die junge Katie zu Gott, daß das hilflose Bündel vor ihr im Stroh für immer aus ihrem Leben verschwindet – und steht wenig später unter Mordverdacht.

Warum ich das Buch begonnen habe:
Eigentlich wollte ich „Beim Leben meiner Schwester“ von der Autorin, da das aber gerade nicht in der Bibliothek war, habe ich „Die einzige Wahrheit“ mitgenommen.

Warum ich es zu Ende gelesen habe:
Weil ich wissen wollte wie der Prozess ausgeht. Und weil mich Katie’s Gewissenskonflikt interessiert hat. Zwischen zwei Welten zu stehen – der Englischen und der Amischen – und in beiden Menschen zu haben, die man liebt. Wie wird sie damit klar kommen? Für welche wird sie sich entscheiden?

Wem es ich empfehle:
Allen die sich gern mit ernsteren Themen auseinander setzen, Leute die sich besonders für die Amisch interessieren.

2 Personen – 20 Jahre – 1 Tag

13. Januar 2010


Nicholls, David:
Zwei an einem Tag : Roman / Aus dem Engl. von Simone Jakob. – 7. Aufl. – Zürich : Kein & Aber, 2009. – 541 S.
Originaltitel: One Day
ISBN 978-3-0369-5542-1

Am 25. Juli 1988 treffen sich Emma und Dexter auf der Abschlussfeier und machen die Nacht zusammen durch. Auch wenn sich danach ihre Wege trennen, verlieren sie sich doch nie ganz aus den Augen. Fast 20 Jahre begleitet der Leser die beiden und erfährt wo sie sich am 25. Juli aufhalten. 1988 sind die beiden noch voll nebulöser Zukunftspläne. Emma möchte die Welt verbessern, Dexter reich und berühmt werden. Ob sie ihre Ziele erreichen und trotz ihrer Differenzen zueinander finden, erfährt man in diesem Buch von zwei Menschen, deren Leben durch denselben Tag geprägt sein wird.
Nach den vielen begeisterten Rezensionen, die ich über das Buch gelesen habe, musste ich es einfach lesen. Auch wenn ich nicht enttäuscht war, hatte ich es mir doch irgendwie anders vorgestellt. Komischerweise kann ich mich wohl besser in Personen aus vergangenen Zeiten einfühlen, als in welche aus der heutigen. Gedanklich konnte ich mich gut in die beiden Protagonisten hineinversetzen. Aber gefühlsmäßig konnte ich vor allem mit Dexter und seiner Ruhmsucht nicht richtig warm werden. Dafür war es interessant, die Welt mal mit den Augen der Beiden zu sehen. Vor allem die witzigen und süßen Briefe am Anfang haben mir gefallen.

Eine interessante, keinesfalls kitschige Liebesgeschichte.

4/5

Zusammen ist man weniger allein

20. November 2009


Gavalda, Anna:
Zusammen ist man weniger allein : Roman / Aus dem Franz. Von Ina Kronenberger. – 11. Aufl. – München [u.a.] : Hanser, 2005. – 550 S.
Originaltitel: Ensemble, c’est tout
ISBN 3-446-20612-4

Vier Außenseiter treffen aufeinander. Die dürre, künstlerisch begabte Putzfrau Camille, der stotternde, adlige Postkartenverkäufer Philibert, der laute, machohafte Koch Franck und seine alte, einsame Großmutter Paulette. Zusammen bilden sie eine ungewöhnliche Wohngemeinschaft, in der gelebt, geliebt und gestritten wird. Jeder hat sein Päckchen zu tragen, aber wie heißt es so schön: geteiltes Leid ist halbes Leid. Gegenseitig richten sie sich wieder auf. Und langsam entspinnt sich eine Liebesgeschichte zwischen denen, die nicht an eine längerfristige Bindung glauben.
Die Figuren sind unglaublich gut und vielseitig gezeichnet. Der coole Franck ist total süß zu seiner Oma. Die wiederum hat einen tollen bösen Humor. Philibert scheint aus einer anderen Welt zu stammen. Und Camille ist manchmal sehr mutig und stark, dann aber wieder unfähig und ängstlich. Vor allem zwischen ihr und Franck flogen meine Sympathien hin und her. Mal mochte ich den einen mehr, dann konnte ich doch auch den anderen wieder gut verstehen. Zum Ende hin habe ich immer wieder geschaut, wie viele Seiten es noch sind, um abzuschätzen, was noch alles passieren könnte, wie oft sich das Blatt noch wenden kann und wie es ausgeht.

Eine leise, einfühlsame Geschichte, die es zu lesen lohnt.

4/5

4/5

Schokolade und vieles mehr

15. Oktober 2009


Lamb, Cathy:
Spiel mir das Lied vom Glück : Roman / Aus dem Amerikan. von Andrea Fischer. – Frankfurt am Main : Krüger, 2008. – 443 S.
Orginaltitel: Julia’s Chocolates
ISBN 978-3-8105-1289-5

An ihrem Hochzeitstag zieht Julia die Notbremse und flieht vor ihrem gewalttätigen Bräutigam. Bei ihrer Tante Lydia findet sie Unterschlupf und bald auch Freunde. Vor allem die Mädels vom Psycho-Abend: die hellsichtige Caroline, Katie, deren Mann Alkoholiker ist und Lara, nach außen die brave Pfarrersfrau, im verborgenen die kreative Künstlerin. Und dann sind da auch noch die zwei vernachlässigten Kinder einer Drogenabhängigen, die Julia so sehr an ihre eigene Kindheit erinnern. Der einzige der keine Probleme zu haben scheint, ist der gut aussehende und warmherzige Dean Garett. Kann er Julia überzeugen, dass doch nicht alle Männer Schweine sind?
Ein Buch voller Probleme, aber auch voller netter, warmherziger, teils auch kurioser Menschen.

Was ist Liebe?

4. Oktober 2009

Selbstgefälligkeit ist der Feind der Liebe
S. 189

Anerkennung ist der erste Schritt zu bedingungsloser Liebe.
S. 221

Man muss keine Liebe empfinden, um Liebe schenken zu können.
S. 277

Vielleicht besteht Intimität gar nicht darin, alles an einem anderen Menschen zu lieben, sondern alles über ihn zu wissen – und trotzdem bei ihm zu bleiben.
S. 308

Probleme mit der Liebe haben nur jene, die selbstsüchtig sind. die ihre Launen und die Befriedigung ihrer Bedürfnisse ausleben; jene, die Liebe konsumieren, die im Licht baden wollen, das von anderen Menschen ausstrahlt. Wir alle möchten uns gespiegelt sehen in den Augen des anderen; das ist ein natürliches Bedürfnis, aber dieser Glanz verblasst schnell. Die einzige Art Liebe, die es lohnt zu besitzen, ist jene, die du bereit bist zu schenken.
S. 311

Wenn du Liebe gibst, wächst und blüht sie in dir wie eine sorgsam gehegte Rose. Liebe ist Freude.
S. 312

Aus
Prunty, Morag:
In Liebe, deine Tessa / Aus dem Engl. von Renate Reinhold. – Augsburg : Weltbild, 2008. – 316 S.
Orginaltitel: Recipes for a perfect marriage
ISBN 978-3-8289-9357-0

8 Frauen, 8 Geschichten

17. September 2009


Schmitt, Eric-Emmanuel:
Odette Toulemonde und andere Geschichten / Aus dem Frz. von Inés Koebel. – Zürich : Ammann, 2007. – 233 S.
Orginaltitel: Odette Toulemonde et autres histoires
ISBN 978-3-250-60108-1

Nach 25 Jahren wird Aimee Faverat von ihrem verheirateten Liebhaber verlassen. In Geldnot geraten, bittet sie ihn um Hilfe. Er rät ihr sein Geschenk, einen echten Picasso, zu verkaufen. Doch die enttäuschte Frau glaubt dem potentiellen Käufer, dass es sich hierbei um eine Fälschung handelt und vermietet stattdessen ein Zimmer. Als sie an Krebs erkrankt, ist das eine Erlösung für die lebensmüde Aimee. Für ihre japanische Mieterin ist es jedoch eine Tragödie. Als die mitfühlende Japanerin Aimee rät mit allen Mittel gegen die Krankheit zu kämpfen, ist diese verärgert und will sich rächen. Von der Welt enttäuscht, will auch sie enttäuschen. Und so vererbt die desillusionierte Geliebte der Mieterin den Picasso. Der Japanerin sagt sie, er wäre echt, selbst glaubt sie jedoch nicht daran.
40 Jahre später wird sich die UNICEF-Botschafterin, eine der reichsten Frauen Japans, an Aimee, als die Frau erinnern, die ihr den Glauben an die Menschen und die finanziellen Mittel gab, die ihr ihr humanitäres Engagement ermöglichten.

Sieben weitere berührende Frauenschiksale hat Eric-Emmanuel Schmitt in diesem Band versammelt. Dass er von ihnen erzählt und sie nicht selbst erzählen lässt, schafft eine gewisse Distanz. Die Frauen sind nicht immer sympathisch. Und doch so verschieden die Frauen und ihre Geschichten auch sind am Ende jeder Geschichte kann man sich eines Schauers nicht erwähren.

Einen Eindruck vom Inhalt und den Kriterien für die Zusammenstellung dieses Bandes gibt schon das vorangestellte Zitat von Romain Gary wieder: „… all diese Blumensträuße, die nach einem Herzen suchen und nur eine Vase finden.“

Diese wunderschönen, berührenden und nachdenklich stimmenden Kurzgeschichten sind absolut zu empfehlen.

Glücksrezept

12. September 2009


Lelord, François:
Hectors Reise : oder die Suche nach dem Glück / Aus dem Frz. von Ralf Pannowitsch. – 25. Aufl. – München : Piper, 2005. – 185 S.
Orginatitel: Le voyage d’Hector ou la recherche du bonheur
ISBN 978-3-492-04528-5

Gibt es eine Anleitung zum glücklich sein? Von Hectors Patienten ist keiner glücklich. Hector ist Psychater und auch nicht glücklich, denn er versucht zwar seinen Patienten zu helfen, aber ganz schafft er es nicht immer. Und so reist Hector durch China und die USA, um zu analysieren, was Glück ausmacht und wie man es erreichen kann. Natürlich könnte man jetzt Hectors 23 Lektionen durchlesen und das Buch beiseite legen, aber manchmal ist eben der Weg das Ziel. Man erfährt viel mehr über das Glück, wenn man die zu den Lektionen gehörigen Geschichten mit liest. Wer allerdings glaubt hier die ihm fehlende Geheimzutat zum eigenen Glück zu finden, wird enttäuscht werden. Denn geheime Zutaten findet man nicht, dafür aber elementare, die man vielleicht ob ihrer Banalität übersehen hat.

Verwunderlich finde ich, dass das Buch nicht als Kinderbuch deklariert ist. Denn es ist in einem relativ naiven, verharmlosenden und häufig erklärendem Ton geschrieben, der einem Erwachsenen je nach Toleranzgrenze auf die Nerven gehen kann.

Daher ein Buch, was man durchaus mal lesen kann, aber nicht unbedingt lesen muss.