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Wissen ist Macht

15. März 2010

Müller, Titus:
Die Jesuitin von Lissabon : historischer Roman. – Berlin : Rütten & Loening, 2010. – 453 S.
ISBN 978-3-352-00782-8

Ein Sturm peitscht das Meer. Hilflos ist das Schiff den Wellen ausgesetzt. Antero Moreira de Mendonca hat Todesangst. Der Schmuggler will noch nicht sterben. Gott erhört sein Flehen. Doch kaum ist Antero dem Sturm entronnen und in Lissabon angekommen, da wird es von einem Erdbeben zerstört. Die Jesuiten, allen voran Anteros ehemaliger Meister Malagrida, schreiben die Ursache dem Zorn Gottes zu. Der Naturforscher Antero sieht seine Chance gekommen sich an dem skruppellosen Malagrida zu rächen. Doch dieser ist mit allen Wassern gewaschen. Überall hat er Spione. Auch Anteros Geliebte Leonore ist eine von ihnen. Sie ist angezogen von der Macht der Jesuiten. Antero faszinierte deren umfangreiches Wissen. Aber unbedingter Gehorsam und unstillbarer Wissensdurst erwiesen sich als unvereinbar. Durchdrungen vom Geist der Aufklärung möchte Antero die Welt erforschen. Ganz anders der Machtmensch Malagrida, der sie beherrschen will. Er tut alles dafür, wartet aber vergebens darauf, dass Gott zu ihm spricht und einen zweiten Mose aus ihm macht. Eindimensionale Menschen gibt es in dem Roman nicht. Schon zu Beginn begegnet dem Leser kein kühner Held, sondern ein den Naturgewalten hilflos ausgelieferter Mensch, der nichts weniger hat als eine weiße Weste. Den Elementen kann er zwar nichts entgegensetzen, aber seinem Widersacher. Beide kennen sich gut, können die Reaktionen des anderen voraus ahnen und beziehen diese in ihre eigene Taktik gekonnt ein. Ein cleverer und spannender Kampf mit einigen unerwarteten Wendungen entspinnt sich.

An den historischen Hintergründen Interessierte können sich über umfangreiches Zusatzmaterial freuen. Man findet Worterklärungen, Aussprachetipps für die portugiesischen Namen und Informationen zu den schon im Roman differenziert gezeichneten Jesuiten, dem Erdbeben, und dem Portugal des 18. Jahrhunderts. Den Schluss bildet ein Interview mit dem sympathisch wirkenden Autor zum Schreiben allgemein und zur „Jesuitin von Lissabon“ im Besonderen. Interessant wäre noch zu wissen, von wem er dazu befragt wurde.

Herzlichen Dank an Rütten & Loening, einer Marke des Aufbau-Verlages, für diesen interessanten historischen Roman von Titus Müller, der neben Publizistik und neuer deutscher Literatur mittelalterliche Geschichte studiert hat und vor den Augen des Lesers, ein vielschichtiges Bild des vom Erdbeben – nicht nur physisch – erschütterten Lissabons der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstehen lässt.

4/5